The St. Louis - Herbert Karliner
Die St. Louis - Herbert Karliner
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ERZÄHLER:
Herbert Karliner kam im Jahr 1926 in Deutschland auf die Welt. Am Morgen der Kristallnacht wurde der Laden seines Vaters zerstört und geplündert, zusammen mit der Synagoge der Stadt und allen anderen jüdischen Geschäften. Die Gestapo zwang Herberts Vater kurz danach, ihr Heim zu verkaufen. Im Mai 1939 waren Herbert und seine Familie unter den 937 Passagieren an Bord der St. Louis, einem deutschen Ozeandampfer, der nach Kuba unterwegs war.
Herbert Karliner:
Wir hatten eine wundervolle Zeit. Es gab Tanz, Filme und Gottesdienste. Die Leute besuchten den Kapitän, und wir hatten eine gute Beziehung zu ihm, und wir freuten uns auf die Ankunft in Havanna.
Wir erreichten den Hafen von Havanna und das Schiff legte mitten in der Bucht an. Man sagte uns, es müssten ein paar Formalitäten geklärt werden. Also warteten wir. Wir warteten und warteten, und nichts passierte. Ich hatte ein paar Verwandte, mein Onkel war schon dort, er kam mit einem kleinen Schiff und sprach mit uns von weit weg. Das war das erste spanische Wort, das ich lernte, er sagte morgen, mañana, mañana, dürft ihr von Bord. Ein Tag verging, zwei Tage, drei Tage, vier Tage. Wir bleiben sieben Tage lang in Havanna.
Wir wussten nicht, was los war. Wir begannen, uns Sorgen zu machen.
Die meiste Zeit ließen sie uns im Dunkeln. Wir hörten, dass die Regierung uns nicht hereinlassen wollte und dass sie eine bestimmte Geldsumme wollten, aber wir hatten überhaupt kein Geld. Nach 7 Tagen bekam der Kapitän den Befehl von der Regierung, den kubanischen Hafen zu verlassen. Er sagte, keine Sorge, wir werden in der Karibik herumfahren und euch einen Platz finden. Und wir schickten Telegramme in die ganze Welt, nach Panama, Argentinien, in die Dominikanische Republik, in die USA, wir schickten ein Telegramm an Mr. Roosevelt, aber wir bekamen keine Antwort. Wir schickten ein Telegramm an Mrs. Roosevelt, nur die Kinder hereinzulassen, aber wir bekamen keine Antwort. Wir waren sehr enttäuscht. Denn wir wussten, was passieren würde, wenn wir nach Europa zurück mussten.
Unsere Hoffnung sank. Also gingen sie ans Funkgerät und sagten, wir fahren in der Meerenge von Florida herum, vielleicht hört uns jemand. Hinterher erfuhr ich, dass der Kapitän wollte, dass wir hier nach Miami kommen.
Der Kapitän fuhr an Miami Beach heran, und ich kann Ihnen sagen, ich war 11 oder 12 Jahre alt auf diesem Schiff und ich war so beeindruckt von Miami Beach, dass ich mir sagte, eines Tages werde ich hierher zurückkommen. Nun, das dauerte eine Weile. Wir durften nirgendwo landen, keiner ließ uns ins Land. In der Zwischenzeit wurde das Essen knapp, das Wasser wurde knapp und das Schiff musste nach Deutschland zurückfahren. Der Kapitän fuhr langsam zurück in der Hoffnung, jemand anderes würde etwas tun. Und zwei Tage, bevor wir nach Deutschland kamen, erhielten wir ein Telegramm, dass vier Länder bereit seien, uns aufzunehmen, und wir aufgeteilt werden würden.
Holland, Belgien, Frankreich und England. Also hatten wir natürlich wieder Hoffnung. Wir begannen wieder zu tanzen, sahen Filme an und alle waren glücklich, dass wir nicht nach Deutschland zurück mussten. Jedes Land nahm circa 220, 250 Leute auf. Wir hatten nicht viel Wahl, wo wir hinkamen.
ERZÄHLER:
Europäische Juden, denen Zuflucht in Havanna garantiert worden war, überquerten den Atlantik, doch bei ihrer Ankunft versagte ihnen der Präsident Kubas die Einreise. Der Kapitän der St. Louis fuhr vom Hafen von Havanna nach Miami in der Hoffnung, seinen jüdischen Passagieren zur Flucht in die Vereinigten Staaten zu verhelfen. Die US-Küstenwache erlaubte dem Schiff nicht, anzulegen. Schließlich erklärten sich Belgien, die Niederlande, England und Frankreich damit einverstanden, die Passagiere der St. Louis aufzunehmen. Herbert Karliner wurde nach Frankreich geschickt, wo er und seine Familie als Katholiken untertauchte, bis der Krieg vorbei war. Hunderte andere Passagiere der St. Louis fielen den Nazis zu Opfern, als Deutschland auch die westeuropäischen Staaten überrannte.